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Liebesgedichte von Rilke

Der 1875 geborene und 1926 verstorbene Lyriker Rainer Maria Rilke gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern im deutschsprachigen Raum und hat tausende Gedichte verfasst. Er schuf in seinem nur 51 Jahre währenden Leben ein umfangreiches Werk, das unter anderem Lyrik, Prosa, Dramen und Briefe beeinhaltet und Zeugnis von seinem Ausnahmetalent preisgibt.

XLIII

Wie ich dich liebe? Lass mich zählen wie.
Ich liebe dich so tief, so hoch, so weit, als meine Seele blindlings reicht, wenn sie ihr Dasein abfühlt und die Ewigkeit.

Ich liebe dich bis zu dem stillsten Stand, den jeder Tag erreicht im Lampenschein oder in Sonne. Frei, im Recht, und rein wie jene, die vom Ruhm sich abgewandt.
Mit aller Leidenschaft der Leidenszeit
Und mit der Kindheit Kraft, die fort war, seit ich meine Heiligen nicht mehr geliebt.
Mit allem Lächeln, aller Tränennot
und allem Atem. Und wenn Gott es gibt,
will ich dich besser lieben nach dem Tod.

Liebes-Lied

Wie soll ich meine Seele halten, dass
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möchte ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
An einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwimmt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich, nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich, der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.

Immer wieder

Immer wieder, ob wir der Liebe Landschaft auch kennen, und den kleinen Kirchhof mit seinen klagenden Namen
enden: immer wieder gehen wir zu zweien hinaus unter die alten Bäume, lagern uns immer wieder zwischen die Blumen, gegenüber dem Himmel.

Die Liebenden

Sieh, wie sie zu einander erwachsen:
In ihren Adern wird alles Geist.
Ihre Gestalten beben wie Achsen,
um die es heiß und hinreißend kreist
Dürstende, und sie bekommen zu trinken,
Wache, und sieh: sie bekommen zu sehn.
Lass sie ineinander sinken,
Um einander zu überstehn.